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Ein halbes Jahr lang wurden im Rahmen des Bundesmodellprojektes RaFT der Deutschen Aidshilfe in Drogenkonsumräumen Schnelltests auf die lebensgefährliche Beimengung von Fentanyl in Heroin angeboten, um die Verbreitung der Substanz zu ermitteln. Nutzer*innen erhielten Beratung und konnten so ihr Risiko unmittelbar reduzieren.
Das synthetische Opioid Fentanyl hat in Amerika und Kanada als bewusst konsumierte Substanz und als Beimengung in illegal erworbenem Heroin zu einem massiven Anstieg drogenbedingter Todesfälle geführt. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bereits in Estland. Zudem gab es in den letzten Monaten besorgniserregende Berichte aus Irland und Großbritannien. Synthetische Opioide waren hier (mit)verantwortlich für tödliche und nichttödliche Überdosierungen.
In Deutschland waren im Jahr 2021 synthetische Opioide für insgesamt 102 Todesfälle mitverantwortlich, 2022 waren es 83. Es gibt keine Erkenntnisse, ob diese aus pharmazeutischer oder illegaler Produktion stammten.
Fentanyl und andere synthetische Opioide wirken sehr viel stärker als Heroin, schon geringe Dosen können tödlich wirken. Sie sind daher kaum sicher dosierbar. Wenn Konsumierende nichts davon wissen, dass ihre Droge Fentanyl enthält, sind sie oft in Lebensgefahr.
Mit dem Bundesmodellprojekt RaFT der Deutschen Aidshilfe, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit, wurde von März bis August 2023 in 17 Drogenkonsumräumen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Münster und Wuppertal ein Test- und Beratungsangebot für Heroinkonsument*innen etabliert.
Es sollte
Das Projekt reiht sich ein in europäische Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Verbreitung von synthetischen Opioiden.
Da dieses Angebot rechtsicher nur in Drogenkonsumräumen implementiert werden konnte, erlauben die Ergebnisse keine Rückschlüsse auf die Situation in den neuen Bundesländern und sowie in Süddeutschland, wo es keine Drogenkonsumräume gibt (mit Ausnahme von Karlsruhe in Baden-Württemberg und Saarbrücken).
Insgesamt wurden 1.401 Tests in die Auswertung des Testergebnisses eingeschlossen. Davon waren 3,56% (=50 Tests) positiv – mit regionalen Schwerpunkten. Hamburg hatte den prozentual höchsten Anteil positiver Proben. Die Daten zeigen aber, dass ein bundesweites Monitoring eingerichtet werden sollte.
Die Datengrundlage von RaFT kann als erster Anhaltspunkt dienen, in welchem Umfang Fentanyl in Drogenszenen in Deutschland konsumiert wird, ohne dass dies Konsumierenden bewusst ist. Es wurden außerdem Informationen über die Herkunft und Wege des Erwerbs des als Heroin gekauften Stoffes generiert.
Die Anzahl positiver Tests im Bundesmodellprojekt lässt keine gesicherten Schlüsse über die generelle Häufigkeit von Fentanyl zu, insbesondere nicht in Städten, in denen lediglich sehr
wenige Proben positiv waren.
Die erhobenen Daten haben (trotz des punktuell unerwartet hohen Anteils positiver Proben) nicht ergeben, dass es schon Veränderungen der Handels- und Szenestrukturen gibt. Eine Situation wie in Nordamerika zeichnet sich aus unserer Sicht aktuell nicht ab.
Zudem ist eine Verknappung von Heroin auf dem deutschen Schwarzmarkt bisher nicht wahrnehmbar. Zukünftig gilt es jedoch die Veränderungen in Afghanistan (reduzierter Anbau von Schlafmohn) im Blick zu behalten. Eine Verknappung würde Lücken eröffnen, die mit Fentanyl gefüllt werden könnten. Mittels Angeboten der Substanzanalyse, Monitoring, Early-Warning-Meldesystemen und Konsument*innenbefragungen können Marktveränderungen schnell wahrgenommen werden.
70% aller Konsument*innen, denen im Rahmen von RaFT ein Testangebot gemacht wurde, haben es angenommen. Die Gruppe der intravenös Heroin Konsumierenden, die von Überdosierungen am meisten bedroht ist, hat das Testangebot überproportional häufig (62%) in Anspruch genommen. Das spricht für ein ausgeprägtes Risikobewusstsein. Angebote der Substanzanalyse stoßen also in Drogenkonsumräumen auf hohes Interesse und sind gut umsetzbar.
Das Bundesmodellprojekt RaFT zeigt deutlich, dass eine Ausweitung solcher Angeboten in Drogenkonsumräumen, aber auch in Einrichtungen ohne Konsummöglichkeit sinnvoll wäre. Diese Maßnahme ist bereits heute gesetzlich möglich. Landesverordnungen zu Drugchecking sind dafür nicht erforderlich; diese sind gleichwohl umso wichtiger für Angebote in der Partydrogenszene. Auch die Mitgabe von Fentanyl-Schnelltests nach Hause erscheint wichtig.
Im Rahmen des Projekts wurde erstmals eine auf Fentanyl abgestimmte Handlungsanleitung zur zielgerichteten Beratung erarbeitet und angewendet. Sie bietet eine Möglichkeit der Risiko- und Schadensminderung bei positiven Testergebnissen.
Ziel ist, einen weiteren Baustein für Schadensminimierung zu etablieren, der auch außerhalb von Drogenkonsumräumen seine Wirkung entfalten kann. So wurde Konsumierenden zum Beispiel empfohlen, zunächst nur einen kleinen Teil ihres Heroins zu konsumieren, um die Wirkung abschätzen zu können („Dosis-Splitting“).
Heroinabhängige Menschen werden so vorbereitet auf einen möglichen Anstieg der Verbreitung von Fentanyl in Deutschland. Zudem wurden Konsument*innen durch das Projekt selbst für ein eigenständiges Risikomanagement sensibilisiert. Die Zahl der opioidbedingten Not- und Todesfälle könnte so reduziert werden.