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VON TIM ATTENBERGER
Menschen, die sich in aller Öffentlichkeit einen Schuss setzen und denen im Fall einer Überdosierung niemand schnell zur Hilfe eilen kann, werden rund um den Neumarkt auch weiterhin zum Alltag gehören. Nachdem der Eigentümer vor zwei Wochen den Mietvertrag mit der Stadt für einen neuen Drogenkonsümraum an der Thie-boldsgasse 146 kündigte, fange die Stadt jetzt wieder bei Null an, sagte Sozialdezernent Harald Rau. Die Suche nach einer neuen Immobilie dürfte sehr wahrscheinlich schwierig und entsprechend langwierig werden, zumal sich vor Ort eine Bürgerinitiative gegründet hat, die Druck ausübt.
Wie sich doch noch kurzfristig eine Lösung finden ließe, zeigt ein Beispiel aus Berlin. In der Hauptstadt betreibt der gemeinnützige Drogenhilfe-Verein Fixpunkt Berlin bereits seit 2003 zwei Drogenkonsum-mobile. Dabei handelt es sich um eigens für diesen Zweck umgebaute Kleintransporter. Sie werden an Orten eingesetzt, an denen sich eine Drogenszene gebildet hat und noch keine Immobilie für einen festen Konsumraum zur Verfügung steht. In Berlin befinden sich die Standorte am Stuttgarter Platz in Charlottenburg und an der Ecke Karl-Marx-Straße und Hochkirchstraße in Neukölln.
„Ein mobiles Angebot kann der Vorreiter für ein stationäres Angebot sein“, sagt Fixpunkt-Standortleiter Matthias Frötschl. Der Vorteil des Konsummobils bestehe darin, dass es zeitlich und örtlich flexibel einsetzbar sei. „Man ist zunächst einmal unabhängig von einer Immobilie und kann schauen, ob das Angebot an einem Standort überhaupt von der Szene angenommen wird“, sagt Frötschl.
Selbstverständlich werde die Position des Konsummobils mit der Stadtverwaltung und der Polizei abgesprochen. Grundsätzlich gelten dabei dieselben Anforderungen wie bei einem festen Angebot. „Viele Anwohner befürchten, dass ein Drogenkonsumraum eine Sogwirkung auf die Szene hat und sich dann noch mehr Konsumenten als zuvor vor Ort aufhalten“, sagt Frötschl. Diese Vermutung bestätige sich aus der jahrzehntelangen Erfahrung von Fixpunkt jedoch nicht. „Es ist im Gegenteil so, dass das Konsummobil dazu beiträgt, die Anwohner von der Sinn-haftigkeit zu überzeugen“, sagt Frötschl. Tatsächlich würden selbst die Gegner oft feststellen, dass der öffentliche Konsum zurückgehe, die Spritzenfunde abnähmen und weniger medizinische Notfalle bei den Abhängigen zu verzeichnen seien.
Neben dem Konsummobil positionieren die Fixpunkt-Mitarbeiter einen umgebauten Campingwagen, der als Informationsstelle und Cafe fungiert. Sozialarbeiter stehen den Abhängigen und ebenso den Anwohnern als Gesprächspartner zur Verfügung und bieten Getränke sowie Lebensmittel an.
In dem Konsummobil stehen insgesamt vier Plätze mit Sichtschutz zur Verfügung, an denen sich Abhängige Drogen verabreichen können. Die intravenöse und nasale Einnahme ist erlaubt, der inhalative Konsum, also das Rauchen von einer Aluminiumfolie, ist nicht möglich. Fixpunkt stellt sterile Spritzen und Kanülen zur Verfügung und sorgt für eine sichere Entsorgung. „Am Ende ist ein stationärer Konsumraum zwar immer besser, aber mit dem Mobil lässt sich kurzfristig auf die Bewegungen in der Szene reagieren“, sagt Frötschl.
Die Konsummobile in Berlin sind von Montag bis Freitag jeweils von 14 bis 18 Uhr vor Ort. Aufgrund der bislang guten Erfahrungen soll das Angebot zeitlich ausgeweitet werden. Fixpunkt wird vom Berliner Senat und den jeweiligen Bezirken finanziell unterstützt. Für das mobile Angebot benötigt es nach Erfahrung des Vereins einen relativ hohen Logistikaufwand und ein Lager, um die Fahrzeuge unterzubringen.
TIM.ATTENBERGER(S)DUMONT.DE
Wieder „bei Null anzufangen“, wie es Sozialdezernent Harald Rau in Bezug auf den Drogenkonsumraum am Neumarkt formuliert hat, darf für die Stadtverwaltung keine Option sein. Die ausgeprägte Drogenszene mitten in der Innenstadt wird sich ebenso wenig in Luft auflösen wie die damit verbundenen Probleme. Selbstverständlich wird es sehr schwierig werden, jetzt noch eine Immobilie für einen stationären Konsumraum zu finden. Nachdem nun bereits zwei Vermietungen aus unterschiedlichen Gründen geplatzt sind, wird sich kaum noch ein Eigentümer mit Begeisterung in ein solches Projekt stürzen.
Umso wichtiger wäre es, jetzt eine flexible, schnelle Lösung zu präsentieren. Sozialdezernent Rau sollte so bald wie möglich nach Berlin fahren, sich das Konsummobil vor Ort genauer anschauen und sich erkundigen, wie sich ein Kleintransporter für diesen Zweck umbauen lässt. Auch in der Hauptstadt wird das Konsummobil an einem zentralen Platz eingesetzt. Warum sollte das nicht auch in Köln am Neumarkt funktionieren? So ließen sich gleich mehrere Probleme auf einen Schlag lösen. Es wäre sofort ein Konsumraum vorhanden, so dass sich die Stadt bei der Suche nach einer neuen Immobilie nicht erneut unter Druck setzen lassen muss. Die protestierenden Anwohner könnten sich davon überzeugen, dass ein Konsumraum die vorhandene Drogenszene keineswegs vergrößert. Und die Stadt könnte in Zukunft mit dem Mobil schnell auf sich neu bildende Szenen reagieren. Gute Ideen darf die Stadt nicht nur kopieren, sie sollte es sogar.