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VON BEATRIX LAMPE
Kalk. Das hätte sich ein „Hells Angels“-Rocker gewiss nicht träumen lassen, dass er mit einem dummen Spruch zum Tippgeber für die Polizei werden und dazu beitragen sollte, Kalk sicherer zu machen. „Hast du nicht Kalk-Verbot?“ brüllte der Rocker vor ein paar Wochen einem anderen Mann quer über die Kalker Hauptstraße zu, wohl in Anlehnung an einen Comedy-Beitrag vom Tom Gerhardt. Polizeiinspektionsleiter Uwe Reischke hörte die Frotzelei und nahm sie zum Anlass, genau das, ein Kalk-Verbot, für polizeibekannte Täter in die Wege zu leiten.
Das geht so: Die Polizei durchforstet die nach Stadtteilen sortierten Daten über Vorfälle, Anzeigen, Festnahmen in bestimmten örtlichen Bereichen und filtert Personen heraus, die dort schon mehrfach wegen allerlei Delikten polizeilich in Erscheinung getreten sind. Und diese Leute mit einer aktenkundigen Vita bekommen ein Schreiben zugesandt, das ihnen den Aufenthalt an bestimmten Orten für bis zu drei Monate verbietet.
14 Männer, die entweder in der harten Drogenszene am Kalker Rathaus oder in der Dealerszene an der Hauptstraße immer wieder unrühmlich aufgefallen sind, haben in den vergangenen Tagen entsprechende Briefe bekommen. Das Betretungsverbot betrifft nicht ganz Kalk, wohl aber die Orte oder Gegenden, an denen sie kriminell auffällig geworden sind.
Wer mit einem Verbot belegt ist, innerhalb der Drei-Monats-Frist aber dennoch dort angetroffen wird, muss bei jeder Zuwiderhandlung 250 Euro bezahlen. „Und wir werden das akribisch kontrollieren, unsere Beamten kennen die Betreffenden ja“, versichert der Inspektionsleiter. Wird die Strafe nicht gezahlt, droht den Männern Haft.
Rechtsgrundlage für das Betretungsverbot ist Paragraf 34 des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen, das die Polizei ermächtigt, „zur Abwehr einer Gefahr“ eine Person vorübergehend von einem Ort zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Orts zu verbieten. „Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird“, so heißt es weiter, kann ihr für bis zu drei Monaten verboten werden, den Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten. Das gilt nicht, wenn der Betreffende dort wohnt oder berechtigte Interessen wahrnimmt, also beispielsweise eine Arbeitsstelle hat.
Dem Gesetz zufolge muss die Prognose über eine bloße Vermutung hinausgehen und Tatsachen müssen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmte Bereich eine Straftat verüben oder daran beteiligt sein wird. „Das zu belegen ist in den bisher 14 Fällen gar kein Problem gewesen“, sagt Reischke. Die Polizei habe sehr darauf geachtet, die „Kalk-Verbot“-Aktion gerichtsfest zu gestalten.
Im Vorfeld hat die Polizei unter anderem mit den Drogen-Hilfseinrichtungen gesprochen, die nach Reischkes Worten allesamt solche Verbote befürworten. Und auch mit Richtern, die Täter bei Nichtbefolgung des Verbots nötigenfalls in Haft nehmen können, haben Reischke und seine Kollegen gesprochen; die Justiz begrüße die neue polizeiliche Maßnahme ebenso. „Es gibt noch wenig Rechtsprechung zu Ortsverweisen“, hat der Leiter der Polizeiinspektion 6 in Erfahrung gebracht. Auch deshalb werde der neue Beitrag zu mehr Schutz vor Kriminalität nur in glasklar belegbaren Fällen angewendet.
„Ich bin sicher, dass diese Maßnahme bei der Bevölkerung gut ankommt, denn viele Menschen sehen in der Dealerszene eine Gefahr und wünschen sich Schutz“, sagt Uwe Reischke. Auch Geschäftsleute in Kalk dürften es zu schätzen wissen, wenn ihre Umgebung dadurch sicherer wird, dass Täter sich dort nicht mehr aufhalten dürften. Nicht zuletzt wirke das Verbot gegen zunächst 14 Männer auch abschreckend auf weitere Kriminelle.
Reaktionen auf die ersten Schreiben gab es sofort von Betreuern der „Kalk-Verbots“-Betroffenen. Ihnen habe die Polizei den rechtlichen Hintergrund und mögliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen erklärt. „Wir erproben das Verfahren jetzt ein Vierteljahr im Bereich der Polizeiinspektion Kalk“, macht Reischke deutlich. Die Personendaten der Verbotsbetroffenen hätten aber natürlich auch Polizeibeamte in anderen Stadtteilen. Wenn ein Dealer also glaube, er könne seine Geschäfte einfach an einen anderen Platz verlegen, könne es ihm durchaus passieren, dass ihn auch dort bald ein Betretungsverbot erwarte.
Das Betretungsverbot wird außer in Kalk in weiteren Ortsteilen angewendet, die im Bereich der Polizeiinspektion 6 liegen: Vier Männer, die anderswo wohnen, aber zuletzt mehrfach in Porz-Mitte durch Gewaltdelikte in Erscheinung getreten sind, bekamen am Wochenende Betretungsverbots-Schreiben. Für je eine Person in Neubrück und in Urbach, die dort als Dealer häufig in Erscheinung getreten sind, sind Verbotsschreiben in Vorbereitung, (bl)
Wie frustrierend ist das für Bürger und für Polizeibeamte: Notorische Dealer und Schläger werden zwar immer wieder erwischt und unter Umständen auch vor Gericht gebracht; doch kaum haben sie den Polizeigewahrsam oder das Gericht verlassen, kehren sie zum Ort ihrer Übeltaten zurück und machen ungerührt weiter, als sei nichts geschehen. Bei vielen Bürgern entsteht angesichts solcher Beobachtungen der Eindruck, die Staatsgewalt nehme eine an manchen Orten fest etablierte kriminelle Szene wehrlos hin und unternehme zu wenig zum Schutz der Gesellschaft. Die Täter selbst sind hingegen überzeugt, dass nichts und niemand sie bremsen könne.
Mit der schlichten Anwendung des gesetzlich verankerten Betretungsverbots für Personen, die an bestimmten Orten immer wieder straffällig geworden sind, könnte dieser unselige Kreislauf durchbrochen werden. Wenn Täter für den gewohnheitsmäßigen Tatort eine monatelange Sperre bekommen, deren Nichteinhaltung stetig kontrolliert und zügig bestraft wird, müssen sie raus aus der Komfortzone.
Setzt sich das Modell des Betretungsverbotes über Porz und Kalk hinaus stadtweit durch und wird entsprechend kontrolliert, werden vielfach aufgefallene Täter nirgends mehr ihre Ruhe haben. Die Bürger an besonders belasteten Orten werden hingegen aufatmen können. Das erfordert freilich erheblichen personellen Aufwand für die Polizei: Täterakten müssen auf Möglichkeiten zur Verbotserteilung durchforstet werden, die Beamten auf den Straßen müssen die betreffende Klientel immer und immer wieder aufschrecken – und die Gerichte müssen das Modell mittragen. Dann kann das Betretungsverbot die Stadt tatsächlich sicherer machen.
Viele Bürger werden aufatmen, wenn die Polizei endlich eine Handhabe gegen ortsbekannte Kriminelle hat. Die bisherigen 14 Verbote für Kalk und vier Verbote für Porz sind ein guter Anfang.