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VON CLAUDIA HAUSER
Irgendjemand hat sämtliche Fenster im Treppenhaus zwischen der achten und neunten Etage des Hochhauses am Kölnberg aufgerissen – doch auch am Tag nachdem die Leiche eines 36-Jährigen in die Rechtsmedizin gebracht wurde, ist der beißend-faulige Geruch kaum zu ertragen. Wie lange der Mann schon tot in der Wohnung gelegen hat, ist weiter unklar. Die Ermittler wissen auch noch nicht, wer den stark verwesten Körper am Donnerstagmorgen über die Brüstung des Balkons in der neunten Etage geworfen hat. Spuren deuten daraufhin, dass die Leiche vorher in einem Schrank auf dem Balkon war.
Angehörige des Toten haben ihn am 10. Juni als vermisst gemeldet. „Sie haben ihn am 31. Mai zuletzt gesehen“, sagt ein Polizeisprecher. Es sei nicht auszuschließen, dass er seit diesem Tag in der Wohnung gelegen habe – zwölf Tage lang. Der Litauer lebte nicht am Kölnberg, soll hier aber regelmäßig in der Wohnung ein- und ausgegangen sein. Ermittler sprechen von einer „Drogenhöhle“, die eine Gruppe Heroinabhängiger als Umschlagplatz genutzt hat.
Unten im Erdgeschoss sitzt der Pförtner des Hauses. Auf neun Bildschirmen hat er die Aufzüge, die Flure, die Eingänge und die Tiefgaragen von neun Hochhäusern der Siedlung im Blick. 260 Wohnungen sind in dem Haus, in dem der Tote lag. „Vor zwei Tagen hat mich eine Mieterin aus dem sechsten Stock angerufen und gesagt, sie könne ihr Fenster nicht mehr aufmachen, weil es so stinken würde“, erzählt der 24-Jährige. „Ich habe ihr gesagt, dass ich da auch nichts machen kann – es stinkt hier überall.“ Überall hängen Zettel, auf denen darum gebeten wird, Flure und Treppenhäuser nicht als Toilette zu missbrauchen. Jetzt weiß er, dass es der Geruch einer verwesenden Leiche war, der sich in mehreren Etagen ausgebreitet hatte. Der Pförtner ist am Kölnberg groß geworden. Aber sein Traum ist es wegzuziehen – mit seinen Eltern. „Es gibt hier nichts Schönes. Es ist laut, dreckig, ständig laufen einem die Junkies über den Weg.“
Birgit Thielen ist stellvertretende Leiterin des Caritas-Zentrums Meschenich. Sie kümmert sich seit 24 Jahren als Sozialarbeiterin um die Sorgen der Menschen am Kölnberg. „Hier leben einfach sehr viele, die am Rande der Gesellschaft stehen“, sagt die 58-Jährige. Die Hochhaussiedlung sei ein abgeschotteter Bereich. „Wir haben in den ganzen Jahren ein gutes Helfersystem entwickelt“, sagt sie. Und trotzdem: In der Anonymität der Siedlung erreichen sie und ihre Kollegen nur diejenigen, die Hilfe suchen.
Die Ermittler haben den Mieter des Apartments in der neunten Etage noch nicht ausfindig gemacht. Am Mittwochabend soll er. noch in der Wohnung gewesen sein. Solange die Todesursache nicht feststeht, liegt keine Straftat vor. Die Beseitigung der Leiche erfüllt zwar den Tatbestand der Störung der Totenruhe. „Das reicht aber nicht für einen Haftbefehl“, sagt ein Sprecher. Die Rechtsmediziner müssen unter anderem noch toxikologische Untersuchungen durchführen, um festzustellen, ob der 36-Jährige an einer Überdosis gestorben ist oder getötet wurde.
VON BETTINA JANECEK UND ANJA KATZMARZIK
Es ist ein bisschen wie eine Reise in eine andere Stadt – von der Innenstadt aus betrachtet. 46 Minuten dauert die Busfahrt vom Breslauer Platz mit der Linie 132 bis zur Haltestelle Am Kölnberg in Mesche-nich. Doch es ist nicht dieser Umstand, der allein auch auf andere Stadtteile zuträfe, der die isolierte Lage dieses Gebiets ausmacht. Der Stadtteil im Bezirk Rodenkirchen wirkt durch die Autobahnen 555 und 4 sowie die Nähe zur Wesselinger Industrie im Süden auch ansonsten wie abgeschnitten. Seit der Sperrbezirksverordnung ist die Straßenprostitution entlang der Brühler Landstraße zumindest eingedämmt, die den Besuchern sonst als Erstes ins Auge fiel.
Das zum Stadtbezirk Rodenkirchen zählende Gebiet besteht mitnichten nur aus dem häufig erwähnten Kölnberg, sondern zeichnet sich mindestens ebenso durch eine noch intakte dörfliche Gemeinschaft sowie alte Straßen mit bürgerlicher Einfamilienhaus-Bebauung aus. Viele Menschen leben freiwillig und gern in Meschenich, weil es ein junger Stadtteil ist, und an vielen Stellen der Zusammenhalt funktioniert.
Am 1974 fertiggestellten Kölnberg allerdings lässt die Ballung von Menschen, die die immer teureren Mieten anderswo in der Stadt nicht mehr zahlen können, die sozialen Probleme und Nöte offenkundig werden. In neun Hochhäusern leben mehr als 4000 Menschen in 1300 Wohnungen. Das Haus „An der Fuhr 4″ ist mit 26 Stockwerken und 260 Mietparteien das höchste.
Die Eigentumsverhältnisse in der Großwohnsiedlung sind höchst kompliziert und verlaufen teilweise quer durch die Etagen. Zwei große Investoren, einer mit Sitz in Köln, der andere aus Israel, teilen sich rund 700 Wohnungen. Der Rest der Wohnungen gehört zahlreichen Kleineigentümern.
61,8 Prozent aller Bewohner des Kölnbergs haben einen Migrationshintergrund, mehr als 15 Prozent sind arbeitslos. Die Quote derer, die in Meschenich auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, beträgt 25 Prozent (stadtweit: 13,2). „Darunter sind zwangsläufig einige, die Drogen gebrauchen“, so Winfried Ehing von der Drogenhilfe Köln. „Die würden sich sonst mehr über ganz Köln verteilen, wenn die Stadt mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen würde.“ Solange das nicht geschehe, würden sich Brennpunkte noch verschärfen.