Ungeschickt, unverhältnismäßig, unverschämt!

 

Zur Großrazzia der Polizei im Drogenhilfezentrum „Café Balance“ in Mainz erklärt der Vorstand von akzept e.V. – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik:

„Wir verurteilen das unangemessene, weil völlig unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei und die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsorientierung in Mainz aufs Schärfste.“, erklärt akzept Vorsitzender Prof. Heino Stöver. Die Staatanwaltschaft stelle durch die Razzia alle MitarbeiterInnen in niedrigschwelligen Drogenhilfeeinrichtungen unter einen Generalverdacht.

Weil die Substanzen illegal und damit ihre Benutzer kriminalisiert sind, lässt sich ein Drogen(klein-/kleinst-)Handel nicht immer und überall verhindern. Das weiß die Polizei ebenso wie die Drogenhilfe oder sonstige Institutionen, die mit Drogenabhängigen arbeiten. Laut Hausordnung sind diese Handlungen natürlich verboten und führen zum Hausverbot.

Wie Oberstaatsanwalt Mieth dazu fragte: „Es gibt keine Verdachtsmomente, dass die Mitarbeiter selbst gedealt haben. Vielmehr geht es um die Frage: Wieso kriegen die das nicht mit?“

Diese Frage könnte man auch anderen Mitarbeitern in anderen von Drogenhandel betroffenen Institutionen stellen: So könnte man mit demselben Verdacht bspw. Justizvollzugseinrichtungen durchsuchen. Auch hier könnte man sich fragen, wie trotz größter Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen von qualifiziertem Personal ca. 30% der Häftlinge fortgesetzt Drogen konsumieren – „Wieso kriegen die das nicht mit?“ Eine Razzia würde hier sogar noch sehr viel ertragreicher verlaufen.

Statt die sehr schwierigen Bedingungen für niedrigschwellige Drogenarbeit zu verbessern, wird hier mit dem Vorschlaghammer ausgeholt, um letztlich Mitarbeiter zu diffamieren und unter Generalverdacht zu stellen. Das ist unverschämt und erschwert die Arbeit mit Menschen die akut abhängig, und damit krank sind, massiv.

Das ist unverschämt!

100 Polizeibeamte fünf Stunden mit dieser letztlich völlig erfolglosen Razzia zu beschäftigen wäre einen Hinweis an den Bund der Steuerzahler wert: Wie hier mit Steuergeldern umgegangen wird ist nicht stillschweigend hinzunehmen. Die beiden mit Haftbefehl Gesuchten hätte man ohne großes Geschick auch an der nächsten Ampelkreuzung festnehmen können.

Hintergrund:

Rund 100 Polizeibeamte haben bei einer Großrazzia das Drogenhilfezentrum Café Balance in Mainz und zwei Wohnungen durchsucht. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen des gewerbsmäßigen Handels mit Rauschgift, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Im Verdacht stehen auch einige Mitarbeiter des Cafés Balance, die den Handel toleriert haben sollen und denen deshalb Mitverantwortung vorgeworfen werden könnte.

Nach fünfstündiger Durchsuchung das Ergebnis: Im Café Balance wurde gar nichts gefunden, kein Krümmel trotz Einsatzes mehrerer Spürhunde, keine Utensilien, sondern nur bei einigen Klienten, die alle am Eingang abgefangen wurden. Zwei bestehende Haftbefehle wurden vollstreckt. Nach aktuellem Sachstand gibt es keinerlei belegten Vorwurf gegen die Café Balance-MitarbeiterInnen.

Berlin/Frankfurt/Essen, 10.05.2012

Prof. Dr. Heino Stöver
akzept e.V.
Vorsitzender

Urs Köthner
akzept e.V.
stellvertr. Vorsitzende

akzept e.V.

Eine Antwort

  1. Haki sagt:

    Hat mich (uns) jemand 25 Jahre zurück gebeamt? Hatten wir diese sinnlosen Aktionen nicht schon vor zwei Jahrzehnten. Ist nach so langer Zeit immer noch die „alte Garde“ in der Staatsanwaltschaft am werkeln?

    Motto: Nichts dazugelernt, davon die Hälfte vergessen und den Rest nicht im Kopf behalten.
    Mehr fällt mir dazu nicht ein.

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