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VON PHILIPP HAASER
Prostitution ist in Deutschland generell erlaubt, doch einen Straßenstrich will niemand in der Nähe haben. In Meschenich und den angrenzenden Straßen drohte das problematische Gewerbe in den vergangenen Jahren Überhand zu nehmen. Zunehmend verlagerte sich das Geschehen bis in die Wohnanlage am Kölnberg. Doch seit Sperrbezirke eingerichtet und erweitert sind, hat sich die Situation deutlich entschärft.
Im Mai 2011 traten die jüngsten Verbotszonen in Kraft. Eine davon, entlang der Brühler Landstraße und am Militärring, war zunächst für ein Jahr beschlossen und wurde nun bis 2014 verlängert. Die Prostitution ist hier weiter in der Zeit von 20 bis 6 Uhr erlaubt. Im Ortsgebiet Meschenich gilt ebenfalls bis 2014 ein ganztägiges Verbot. Die Straße Am Eifeltor bleibt von Verboten ausgenommen. In die dortigen Wohnwagen hat sich inzwischen ein Großteil der Prostitution verlagert. „Je mehr Prostitution auftrat, desto mehr wurden die Sperrbezirke erweitert“, fasst Robert Kilp zusammen, der als Leiter des Ordnungsamtes für die Durchsetzung des Verbotes zuständig ist.
Vor dem Ende der einjährigen Testphase wurden die Auswirkungen der neuen Regelungen untersucht. „Anhand der Zahlen des Ordnungsamtes hat sich gezeigt: Die Lage hat sich entspannt“, sagt Michael Paetzold (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Rates. Er bezieht sich auf die rückläufigen Zahlen zur Verhängung von Bußgeldern, zu Platzverweisen und zu Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Freier.
Ungelöst sind nach wie vor die Probleme der drogenabhängigen Frauen aus der Hochhaussiedlung am Kölnberg, die sich zur Finanzierung ihrer Sucht prostituieren. Um die konkreten Bedürfnisse der Frauen in Erfahrung zu bringen, führt ein Berliner Institut derzeit eine Befragung unter allen Frauen des Straßenstrichs, aber auch unter den Anwohnern und unter Experten durch. Mit den Ergebnissen sollen laut Ratsbeschluss dann Handlungsvorschläge erarbeitet werden, „soweit die Finanzierung gesichert werden kann“. Der Rat stellte außerdem im vergangenen Jahr Geld für eine Fachkraft zur Verfügung. Im Moment startet die so finanzierte Sozialarbeiterin des Sozialdienstes katholischer Frauen einen Versuch, für die drogenabhängigen Frauen einen sicheren Platz am Eifeltor einzurichten. „Ich glaube, das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Marco Jesse, der Geschäftsführer des Drogen-Selbsthilfevereins Vision am Kölnberg.
Im Mai 2011 wurde der Sperrbezirk im Kölner Süden erweitert. Wie hat sich die Erweiterung ausgewirkt?
SABINE REICHERT: Offenbar ist die Ausweitung des Sperrbezirks gut verlaufen. Das heißt, die Anwohner klagen weniger wegen der Prostitution, und die Frauen haben sich mit den neuen Zeiten und in den neuen Gegebenheiten eingerichtet. Aus ordnungspolitischer Sicht ist die Erweiterung also gut gelungen.
Welche Frauen betreut der SkF?
REICHERT: Unser Schwerpunkt liegt bei den Frauen, die vor allem in Meschenich leben und dort der Drogenprostitution nachgehen. Insgesamt haben wir Kontakte zu ungefähr 30 Frauen. Bei der Kerngruppe handelt es sich um 10 bis 15 Frauen, die derzeit nicht durch Medikamente substituiert werden. Die sind süchtig und gesundheitlich verelendet.
Die Sperrbezirksverordnung untersagt offiziell den Straßenstrich in Meschenich. Es findet aber offenbar dennoch offene Prostitution statt.
REICHERT: Naja, wir gehen natürlich nicht immer hinterher, wenn sich die Frauen mit einem Kunden treffen. Zum Teil läuft die Prostitution in den Wohnungen ab, zum Teil in den Häusern, Hauseingängen und Hausfluren. Die Frauen kommen manchmal aufgrund des Suchtdrucks gar nicht bis in die Wohnungen. Wir haben gehört, dass sich vereinzelt Anwohner beschwert haben.
Der Stadt zufolge leben viele der Prostituieren in elenden Verhältnissen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
REICHERT: Durch die Veränderung der Sperrbezirksverordnung war es den mobileren Frauen möglich, sich besser an die Zeiten zu halten oder in andere Gebiete auszuweichen. Das ist den Frauen, die jetzt noch in Meschenich sind, nicht möglich. Die Frauen befinden sich in einem Strudel, der nur schwer zu durchbrechen ist. Sie sind gezwungen, sich schnell Geld zu beschaffen, um sich den nächsten Druck besorgen zu können.
Wie können Sie den Frauen helfen?
REICHERT: Wir verteilen vor Ort Kondome, bieten einen Spritzentausch an und erläutern in Beratungsgesprächen, wie man sich auf der Straße schützen kann und welche Möglichkeiten es gibt, um aus der Sucht herauszukommen.
Gelingt Ihnen das?
REICHERT: Das ist sehr schwierig zu beantworten. Die Frage ist: Was ist ein Ausstieg? Sprechen wir von Ausstieg erst dann, wenn eine Frau raus ist aus den sozialen Hilfen und einen geregelten Arbeitsplatz hat? Oder schon dann, wenn jemand nicht mehr jeden Tag anschaffen muss, sondern nur noch ein paar Mal im Monat. Generell ist es schwierig, Hilfen anzubieten, weil die Frauen im Kölner Süden sehr gehetzt sind. Die sind ständig auf Kundenfang und gucken, wo Ordnungsamt und Polizei sind, damit sie nicht erwischt werden. Erst, wenn man einen Ort hat, wo sie in Ruhe ihrem Geschäft nachgehen können, bleibt Zeit, um über Ausstiegshilfen zu reden.
Seit 2002 ist das Bundesprostitutionsgesetz in Kraft. Es bietet Prostituierten unter anderem Versicherungsschutz. Ein Erfolg?
REICHERT: Unsere drogenabhängigen Frauen profitieren wenig davon, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig im Bordell arbeiten. Die leben von der einen Minute auf die andere und haben keine Möglichkeit, Geld zurückzulegen.
Was kann die Politik tun?
REICHERT: Wir versuchen die Frauen dazu zu bewegen, dass sie die erlaubten Örtlichkeiten wie am Eifeltor nutzen. Für die Frauen wäre es ein Vorteil, weil sie ruhiger arbeiten könnten und nicht ständig auf der Hut vor Polizei und Ordnungsamt sein müssten. Außerdem würde das Viertel am Kölnberg entlastet.
Wären Sie dafür, das schwedische Prostitutionsgesetz zu übernehmen?
REICHERT: Das schwedische Prostitutionsgesetz sieht vor, dass Freier, die bei der Straßenprostitution erwischt werden, eine Strafe zahlen. Grundsätzlich kann man über das Gesetz geteilter Meinung sein. Die einen halten es für einen Erfolg. Andere sagen, die Prostitution werde auf diese Weise so weit in die Illegalität gedrängt, dass die Polizei keine Ansatzpunkte mehr hat, um gegen Menschenhandel und Gewaltdelikte zu ermitteln.
Das Gespräch führte Dirk Riße