13. Nationaler Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher

 

21. Juli 2011 – Protest-, Aktions- und Trauertag

11:00 – 14:00 Uhr – Mahnwache auf dem Kölner Neumarkt

Motto:
Drogengebrauch und Menschenrechte

Schirmherr: Cem Özdemir, Bündnis90/Die Grünen

In diesem Jahr, in dem übrigens auch der 50. Geburtstag von Amnesty International begangen wird, einer globalen Organisation, die sich vor allem der Wahrung der Menschenrechte verschrieben hat, thematisiert der Gedenktag für die verstorbenen Drogengebraucher das Thema „Menschenrechte“. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Defizite, die einer wirklich menschenwürdigen Behandlung von Drogengebrauchern noch immer entgegenstehen zu benennen und Vorschläge für einen anderen gesellschaftlichen Umgang mit Drogen gebrauchenden Menschen zu diskutieren.

Die auch von Deutschland unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte betont etwa in

  • Artikel 1: Die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit,
  • Artikel 2: Das Verbot der Diskriminierung,
  • Artikel 3: Das Recht auf Leben und Freiheit,
  • Artikel 22: Das Recht auf soziale Sicherheit,
  • Artikel 23: Das Recht auf Arbeit

Wenn man sich vor diesem Hintergrund anschaut, wie Drogengebraucher heute etwa gezielt aus dem öffentlichen Raum verdrängt und nur noch an bestimmten Orten geduldet werden, lässt sich schwerlich von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit reden oder die tagtäglich real stattfindende Diskriminierung dieser Menschen in Abrede stellen.

Von einem Recht auf Arbeit, dass insbesondere für viele substituierte Menschen eine Chance der gesellschaftlichen Teilhabe bieten kann, sind wir weit entfernt. Viele fristen stattdessen ein Dasein in anspruchslosen Beschäftigungsprojekten. Der Wunsch vieler, ein selbständiges Leben ohne staatliche Transferleistungen zu leben wird hierdurch nicht realisiert.

Artikel 3, das Recht auf Leben und Freiheit beinhaltet das Recht, sich die Therapie der Wahl zu suchen, seit einiger Zeit beinhaltet dies auch die Vergabe der Originalsubstanz Heroin.

Wir fordern demnach weiterhin: Heroin für alle Drogenkonsumenten, die es brauchen!

Fazit: Es ist nach wie vor die dringlichste drogenpolitische Aufgabe der Gesellschaft, Drogengebrauch und Drogengebraucher zu integrieren; denn mit Drogen kann man leben, mit der bestehenden Ausgrenzung und Kriminalisierung hingegen nicht.

„Wo Leben ist, da ist Hoffnung – und unser allererstes Ziel in der Drogenpolitik sollte darin bestehen, diese Hoffnung am Leben zu erhalten, indem wir die Abhängigen am Leben halten!�? -Heath Brook, Australien-

Köln

Auch 2011 kommen am 21. Juli wieder viele Kölner Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher zusammen, um ihren verstorbenen Freunden, Angehörigen und Partnern zu gedenken. Nun schon zum dritten Mal findet anlässlich des nationalen Gedenktags für verstorbene Drogengebraucher eine Mahnwache auf dem Kölner Neumarkt statt.

Ausgerichtet wird die Veranstaltung, zu der an die 45 verstorbenen Kölner Drogenkonsumenten des vergangenen Jahres erinnert wird, von „VISION e.V. – Verein für innovative Drogenselbsthilfe“, dem „Landesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende und humane Drogenarbeit NRW e.V.“ und dem „JES Bundesverband der Junkies, Ehemaligen und Substituierten“.

Durch die Verteilung von weißen Rosen an Passanten wird auf das Schicksal von deutschlandweit 1.237 Menschen aufmerksam gemacht, die an den Folgen einer nach wie vor fehlgerichteten Drogenpolitik verstarben. Der diesjährige Gedenktag, für den Cem Özdemir (Bündnis90/Die Grünen) die Schirmherrschaft übernommen hat, steht unter dem Motto
„Drogengebrauch und Menschenrechte“.

Wie eng diese Themen miteinander verzahnt sind, zeigt sich aktuell in der Diskussion um Haaranalysen bei Kindern von Menschen in Substitutionsbehandlung. Der Tagespresse konnte vor kurzen entnommen werden, dass die Kölner Jugendämter 30 Kinder substituierter Eltern zur Haaranalyse vorladen wollen. „Hier wird momentan die Arbeit, die es gekostet hat, um Ressentiments gegen Jugendämter abzubauen, mit Füssen getreten“ so Marco Jesse, Geschäftsführer von VISION e.V.

„Nicht nur das substituierte Eltern unter Generalverdacht gestellt werden ihre Kinder unter Drogen zu setzen – Haaranalysen als Methode sind völlig ungeeignet, da die Befunde nicht einzuordnen sind. Es gibt bisher keinerlei Grenzwerte o.ä., die als Orientierungspunkte dienen könnten. So ist eine indirekte Übertragung z.B. durch den Schweiß der Eltern oder anderer Personen aus dem direkten Umfeld nicht auszuschließen“ so Jesse weiter.

Das Kindeswohl steht selbstverständlich immer an erster Stelle. Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen, das Substituierte dieses gefährden. Daher gilt es mit Augenmaß vorzugehen, um nicht unnötig Porzellan zu zerschlagen. Sonst besteht die Gefahr, dass ausgerechnet Eltern aus der Substitution herausgedrängt werden um sich aus der Schusslinie zu retten. Sie versorgen sich dann auf dem Graumarkt mit Methadon oder besorgen sich illegale Substanzen. Dies kann nicht im Interesse der Jugendämter liegen.

Ein Hilfesystem, in dem alle Bausteine ineinander greifen, ist das, was in diesem Kontext erforderlich ist. Hier gilt es, die bestehenden Strukturen zu erhalten und ggf. zu stärken.
Auch der JES Bundesverband als Interessenvertretung von aktuell und ehemaligen Drogenkonsumenten sowie Substituierten vertritt die Auffassung, dass sich Kindeserziehung und exzessiver Konsum von illegalisierten Substanzen in den meisten Fällen ausschließen.
„Allerdings verwehren wir uns dagegen, wenn (wie derzeit in Bremen praktiziert) Eltern, die sich in einer ärztlich kontrollierten Substitutionsbehandlung befinden, im großen Stil unterstellt wird, ihre Kinder bewusst unter Drogen gesetzt zu haben“, so Mathias Häde vom JES Bundesvorstand. „Diese Art der Diskussion trägt für uns Züge einer modernen Hexenjagd.“

Der JES Bundesverband macht darauf aufmerksam, dass ähnliche Phänomene auch aus anderen Ländern wie Frankreich und Kanada bekannt sind. Dort seien die Ergebnisse jedoch nicht als Beleg dafür gewertet worden, dass den betroffenen Kindern Drogen zugeführt wurden. „Kinder sollten daher nie ausschließlich wegen dieser Befunde aus der Familie genommen werden“ so Jochen Lenz vom JES Bundesvorstand. Stattdessen erwartet JES eine Gesamtschau auf die Lebensumstände dieser Eltern und ihrer Kinder.

Gerade verstorbene Drogengebraucher/innen sind ein mahnendes Zeichen dafür, dass in unserer Gesellschaft immer noch ein Defizit an Akzeptanz und Toleranz gegenüber anders denkenden und anders lebenden Menschen besteht. Sie werden nach wie vor als Außenseiter der Gesellschaft betrachtet.

„Wir setzen uns für ein menschenwürdiges Leben der Drogengebraucher/innen ein. Gleichzeitig kämpfen wir gemeinsam mit anderen für eine Verbesserung in der Versorgung in den Bereichen Bildung, Wohnung, Arbeit, flächendeckender medizinischer und sozialtherapeutischer Betreuung.“ so die Vorsitzende des Landesverbands der Eltern und Angehörigen Hannelore Kneider. „Alternative Maßnahmen und Möglichkeiten der Suchtprävention und insbesondere auch die Verbesserung der Versorgung von Drogen gebrauchenden Menschen in Haftanstalten sind weitere Zielsetzungen“ so Kneider weiter.

Aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte wissen wir, dass Strafe und Repression nicht geeignet sind, um Probleme zu lösen. Wir wissen, dass viele Drogengebraucher es nicht schaffen ein drogenfreies Leben zu führen oder dies zurzeit nicht wollen. Deshalb ist es notwendig, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die ein menschenwürdiges Leben für Drogengebraucher/innen garantiert.

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