Demonstration gegen den Junkie-Bund in Humboldt-Gremberg

 

2006_10_27_lokal_berichte_d.jpgAm 21. Oktober haben ca. 300 bis 400 Menschen aus Kalk und Humboldt-Gremberg für die Schließung der Junkie-Bund-Vereinsräume in der Taunusstraße demonstriert. Aufgerufen hatte der Bürgerverein Humboldt-Gremberg. Dieser ist im Stadtteil unter der deutschstämmigen Bevölkerung recht gut verankert.

Politisch ist er bürgerlich-rechts dominiert (CDU/FDP-Spektrum). Gute Verbindungen gibt es zu einigen Schulen und Kindergärten im Viertel. So hat die Schulpflegschaft (eine Organisation der Eltern an der Schule) der Grundschule Westerwaldstrasse die Demonstration unterstützt und den Kindern einen Aufruf für die Eltern mit nach Hause mitgegeben, inklusive Formular für die Rückmeldung der Teilnahme. Weiterhin haben die Leitungen der Hauptschule Hachenburger Straße und des Kindergartens Burgenlandstraße die Demonstration unterstützt.

Nach unseren Gesprächen in den letzten Tagen ist uns klar geworden, dass das Problem der in Parks und auf Spielplätzen herumliegenden gebrauchten Spritzen wirklich massiv ist – trotz der Bemühungen des Junkiebundes mit Spritzentausch und täglichen Einsammeltouren. So ist zu erklären, dass sich an dem Freitag um 15 Uhr vor der Grundschule Westerwaldstrasse neben älteren deutschen Einwohnerinnen und Vertreten von Parteien vor allem viele Eltern mit ihren kleinen Kindern eingefunden hatten – darunter viele Migrantlnnnen türkischer, arabischer und italienischer Herkunft. Die Stimmung war sehr aufgeheizt und kämpferisch.

Auf einem Flugblatt haben die Veranstalterinnen ihre Forderungen zusammengefasst:

  • „Das Maß ist voll, Humboldt-Gremberg soll kein Ghetto werden.
  • Wir wollen keine Drogen, wir wollen keine Dealer, wir wollen keine Hehler,
  • wir wollen keine Spritzen. Die Stadt Köln und die Politik muss endlich handeln.
  • Wir fordern die sofortige Schließung eines Betriebes des Junkie-Bundes in der Taunusstraße.“

Die „Bürgerbewegung“ Pro Köln hatte in üblicher Praxis auf ihrer Webseite zu der Demo aufgerufen und ausführlich berichtet. Es ist unklar, inwieweit Sympathisanten oder Mitglieder von Pro Köln im Bürgerverein oder dessen Umfeld aktiv sind. Deutlich war, dass die Leiterinnen der Demonstration sich sehr bestimmt von Rassismus und „Pro Köln“ abgrenzen wollten. Es wurden die Gelbe-Hand-Aufkleber „Mach meinen Kumpel nicht an“ verteilt. Auch wurde versucht, die anwesenden ca. 10 „Pro-Köln“-Leute (mit kompletter Ratsfraktion) von der Demonstration auszuschließen. Die Auskunft der Polizei, dass dies rechtlich nicht möglich sei, wurde aber hingenommen und Manfred Rouhs und Co. liefen dann „in Zivil“ mitten in der Menge mit.

Die äußerliche Abgrenzung des Bürgervereins von „Pro Köln“ habe ich hier betont. Genauso wichtig ist jedoch die Betonung der inhaltlichen Nähe. Der Aufruf des Bürgervereins ist in Sprache und Inhalt dem von „Pro Köln“ sehr nahe in seinem kämpferischen Rechtspopulismus. Das gemeinsame zentrale Nahziel ist trotz aller Verständnisrhetorik die Vertreibung des Junkie-Bundes und damit der Junkies aus dem Stadtteil – egal wohin.

Kritische Menschen hatten zu einer Solidarisierung mit dem Junkie-Bund und zum Protest gegen die Demonstration aufgerufen. In den Tagen vorher wurden bereits ein Gegenaufklärungsflugblatt der Ratsfraktion „Die Linke.PDS“ („Gemeinsame Lösungswege zur Drogenproblematik suchen – Rassistische Hetze nicht zulassen und aktiv verhindert!“) sowie ein Flyer des Antifa AK gegen,,Pro Köln“ im Viertel verteilt.

Um die 50 zum großen Teil schon äußerlich als Menschen aus der Linken erkennbaren Menschen (Dresscode) waren gekommen. Die Auftaktkundgebung wurde besucht, um das Gespräch zu suchen und einen eigenen Flyer zu verteilen. Dieser klärt über die Arbeit des Junkie-Bundes auf schließt mit den Worten: „Die Herangehensweise von der ,Bürgerinitiative Humboldt-Gremberg‘ und ,pro Köln‘ ist nicht an einer Lösung im Stadtviertel interessiert sondern will Probleme abschieben. Nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn‘. Lassen Sie sich nicht von rechtsextremen und reaktionären Kräften, die jeden Dialog ablehnen, instrumentalisieren! Nehmen Sie nicht an der Demonstration von ,pro Köln‘ und der Bürgerinitiative teil, sondern solidarisieren Sie sich mit dem Junkie Bund Köln e.V.! Lassen Sie und im Gespräch bleiben!“

Anschließend gab es eine symbolische Schutzwache vor den Räumen des (an dem Nachmittag geschlossenen) Junkie-Bundes und lautstarke Kritik bei der Abschlusskundgebung an Kalk-Post – begleitet von einem deutlichen Polizeiaufgebot.

In der breiteren Masse haben die Ge-endemonstrantlnnen wenig Gehör mit ihren Forderungen für eine menschliche Drogenpolitik und gegen Vertreibung und Ausgrenzung der Junkies gefunden. Es gab aber am Rande des Spektakels eine ganze Reihe guter Gespräche mit kritischen Menschen aus dem Viertel – darunter auch einige Eltern mit kleinen Kindern, die sich trotz eigener Betroffenheit durch das Spritzenproblem nicht vor den Karren des Bürgervereins spannen lassen.

Ulf Petersen

Lokal Berichte

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