Eltern sorgen sich um ihre Kinder

 

Klagen über Verschärfung der Drogenproblematik in Humboldt-Gremberg – Politiker fordern mehr Aktivitäten von Polizei und Verwaltung.

2006-09-14-ksta-eltern_sorg.jpgHumboldt-Gremberg – „Wenn wir hier Fußball spielen wollen, müssen wir oft erst ein paar Spritzen aufheben“, erzählen Mustafa (13) und Mario (12), die mit ihren Freunden auf dem Spielplatz am Taunusplatz hinter einem Lederball herjagen. Ähnliche Situation auf dem Außengelände der Kindertagesstätte Burgenlandstraße: „Die Erzieherinnen sammeln manchmal eine ganze Dose voll Spritzen ein, ehe sie die Kinder zum Spielen nach draußen lassen. Ein unhaltbarer Zustand“, sagt Elternvertreterin Ramona Kindor.
Zwei Jahre nachdem der Bürgerverein bei einem Besuch bei Oberbürgermeister Fritz Schramma die Probleme seines Veedels aufgezeigt und ihm Hilfe und Unterstützung von Gesundheits- und Ordnungsamt versprochen worden war, hat sich nichts verbessert. Im Gegenteil, die Situation auf Straßen und Plätzen des Stadtteils hat sich offensichtlich verschlimmert. Kontakte zwischen Drogenabhängigen und Dealern sind in der Taunusstraße und einigen Nachbarstraßen zu fast allen Tageszeiten zu beobachten – gleich neben Schulen und Jugendeinrichtungen, Kindergärten und Spielplätzen.
Die Ursachen sehen viele Bürger in der Beratungsstelle des Junkie Bundes (Taunusstraße 10), der vor drei Jahren nach Humboldt-Gremberg kam. Bei dieser Organisation finden Süchtige Betreuung und Beratung und können ihre Spritzen umtauschen. Die Geschäftsstelle mit angegliedertem Cafe gilt als „niedrigschwelliger Kontaktladen“, wie Geschäftsführer Bernd Lemke sagt. „Das bedeutet, dass wir die Leute, die zu uns kommen, akzeptieren und respektieren, wie sie sind.“
Einen weiteren Schuldigen für die angespannte Situation sehen die Bürger in dem nur durch die Bahnüberführung vom Junkie Bund getrennten Kultur und Freizeitverein Kardesler. Nach Aussagen vieler Anwohner, die mehrfach Anzeigen bei der Polizei erstattet haben, habe dieser Treff mit Kultur nichts zu tun. „Das ist nur eine Scheinadresse für einen Drogenumschlagplatz. Auch Prostitution und Hehlerei wurden schon beobachtet“, versicherte die Bürgervereins-Vorsitzende Helga Perschmann-Plättner.
Vorwürfe, die der Besitzer des türkischen Kultur- und Freizeitvereins zurückweist: „Das stimmt alles nicht. Die Leute können sich beschweren, bis sie schwarz werden. Ich sitze doch jeden Tag mit einem Baseballschläger vor der Tür, um die Junkies weg zu jagen.“ Die Kalker Polizei sieht das anders. „Das ist ein Brennpunktbereich. Der Laden steht im Verdacht, dass von dort Straftaten unterschiedlicher Art ausgehen. Da liegen Anzeigen vor. Da wird ermittelt“, sagt Gerhard Wallmeroth, der Leiter der Polizeiinspektion Südost.
Auch Oliver Krems, der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Kalker Bezirksvertretung, hat sich dort umgeschaut: „Es sieht tatsächlich so aus, als ob in dem einen Haus den Abhängigen geholfen werden soll, sie in dem anderen aber gleich mit Drogen aller Art versorgt werden.“ Zudem geht von den Räumen des türkischen Freizeitvereins eine – so Krems – „von der Polizei bestätigte Lärmbelästigung aus, auch nachts“.
Nachbarn klagen über laute Musik, Geschrei und Beschimpfungen. „Einige Leute, die schon seit Jahrzehnten hier im Veedel wohnen, wollen wegziehen“, sagt Perschmann-Plättner. Und auch Polizist Wallmeroth weiß: „Der Wohnwert des Stadtteils hat sich in den vergangenen Monaten erheblich verschlechtert.“ Er sagt eine stärkere Polizeikontrollen zu. „Wir tun, was wir können. Wir können aber nicht jeden Missstand beheben.“
Mit Bezirksbürgermeister Winfried Dohm (CDU), den CDU-Vertreterin in Bund und Land sowie dem Bürgerverein ist sich Kalks oberster Polizeibeamte jedoch einig, „dass der Standort des Junkie Bundes von Anfang an falsch gewählt“ worden sei. Die vor Jahren befürchtete Sogwirkung habe sich bestätigt. Wallmeroth: „Die Einrichtung ist sinnvoll, aber der Ort kein guter.“
Anders sieht das Gesundheitsdezernentin Ursula Christiansen, die eine Verlagerung des Junkie Bundes ablehnt. „Wir hatten ja lange gesucht und uns dann für diesen Standort entschieden. Die Szene war schon vorher da und würde nicht einfach verschwinden, zumal heute viele Abhängige in den umliegenden Straßen wohnen.“ Auch SPD-Mann Krems sieht den Junkie Bund eher „als Hilfe bei der Problemlösung denn als Ursache. Die Leute wollen doch aktiv mithelfen, die Situation zu entschärfen.“ So sehen es die Mitarbeiter der Einrichtung, wie Sozialarbeiter Manfred Krekeler: „Wir sagen unseren Leuten immer wieder, dass sie sich von Schulen und Kindergärten fern halten sollen. Mehrmals in der Woche gehen wir rum und sammeln Spritzen ein.“
Mit einem gemeinsamen Antrag in der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung wollen SPD und Grüne mehr Präsenz von Polizei und Verwaltung einfordern. Zudem wird die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes gefordert und ein soziales Netzwerk für den Stadtteil angemahnt. Krems: „Was in Höhenberg und Vingst funktioniert, sollte auch in Humboldt-Gremberg möglich sein.“ Darauf hofft auch der Bürgerverein, der zudem ein „gesamtstädtisches Drogenkonzept“ einfordert. „Die Stadt soll klar sagen, wie die Situation aussieht, und was man als Lösungen im Kopf hat.“

Kölner Stadt-Anzeiger

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