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»Die Arbeit hier läuft sehr gut«, sagt Bernd Lemke. »Wir haben wieder etwa 40 Besucher am Tag, die zum Spritzen tauschen, Wäsche waschen oder Essen kommen. Auch die psychosoziale Betreuung wird angenommen, unsere Warteliste ist dicht.« Der Leiter und Mitbegründer des 1990 gegründeten Junkie Bund e.V ist mit dem neuen Standort in der Taunusstraße 12 b, Köln-Humboldt, zufrieden.
Die Kontakt- und Informationsstelle wird von Stadt und Land gefördert. 1999 bis 2003 war sie auf dem ehemaligen Industriegelände »In den Reihen« am Rand von Humboldt-Gremberg untergebracht – wesentlich weiter von den Treffpunkten der Klienten entfernt als jetzt. Damals ging die Besucherzahl auf etwa 15 pro Tag zurück. 2003 fiel auch noch die Heizung aus und wurde aus finanziellen Gründen vom Vermieter, der Stadt Köln, nicht repariert. Mehrere Versuche des Junkie Bunds, zentraler gelegene Räume zu finden, scheiterten am Widerstand der Nachbarschaft. Umso erleichterter war man, als endlich der Mietvertrag für die Taunusstraße unterschrieben war.
Weniger erfreut sind Mano und Manfred Keuenhof, Manfred Kohlstadt und die anderen Mitbegründerinnen der 1. Bürgerinitiative Humboldt-Gremberg, die sich den Auszug des Junkie Bunds aus der Taunus: Straße als Ziel gesetzt hat: »Der Standort ist ungeeignet. Der Einzug des Junkie Bund war eine Nacht und Nebel-Aktion ohne Standottanalyse«, sagt Mario Keuenhof. Dabei beruft sich die Bürgerinitiative auf die Kölner Polizei: Immerhin hatte Polizeidirektor Dieter Klinger sich vor der Anmietung des Ladenlokals gegen den Junkie Bund als Mieter ausgesprochen.
In unmittelbarer Nähe des Ladenlokals liegen zwei Spielplätze und zwei Schulen, die Anwohner fürchten weggeworfene Spritzen und Begegnungen von Schulkindern mit Drogenkonsumenten oder Dealern. Angst vor einer Fortsetzung der unruhigen Geschichte des Hauses schwingt außerdem mit: 1999 machte die Adresse Taunusstraße 12b Schlagzeilen – als Lokal des Migrantinnenvereins AGIT, in dem der Mitarbeiter Erol Ispir ermordet wurde. Der nächste Betrieb an dieser Adresse, das Restaurant »Etna«, wurde im Juli 2003 wegen Drogenhandels und Konsums geschlossen.
Öffentlicher Drogenkonsum ist im Viertel nichts Neues, ebenso wenig wie Klagen über weggeworfene Spritzen. Zugenommen haben derartige Beschwerden nach Aussage von Herbert Berger, Drogenreferent der Stadt Köln, seit dem Einzug des Junkie Bunds in die Taunusstraße nicht. Frühere Konsumorte im Bezirk Kalk wie die mittlerweile abgerissenen Garagen auf dem Malteser Gelände, das jetzt eingezäunte Gelände hinter dem Jugendpavillon und das CFK-Gelände sind zudem nicht mehr verfügbar. Und für die Einrichtung eines offiziellen Konsumraumes in Kalk fehlt der Stadt laut Berger das Geld.
Helfen würde dies nach Ansicht von Arnd Rüenaufer, Kriminaloberrat bei der Kölner Polizei, allerdings auch nicht. »Kalk ist überversorgt, und der Junkie Bund bietet nur einen neuen Anziehungspunkt«, so seine Darstellung. Stattdessen begrüßt er den geplanten Teilumzug einer anderen Kalker Hilfseinrichtung, des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM), nach Porz, wo viele neue Klienten Russlanddeutscher Herkunft wohnen.
Doch der SKM tut damit im Prinzip das Gleiche wie der Junkie Bund nämlich die Orte aufzusuchen, wo sich die Klien-
tel ohnehin aufhält. Zurzeit betreibt der SKM in der Kalker Dieselstraße, ebenfalls inmitten eines Wohngebietes, wenn auch ohne Schule oder Spielplatz, eine Kontaktstelle. Auch die Arbeit vergleicht Andreas Hecht, Leiter der Kontaktstelle, mit dem niedrigschwelligen Angebot des Junkie Bunds. Auch dort werden Spritzen getauscht, auch der SKM versteht seine Tätigkeit als »akzeptierende Drogenarbeit«. Allerdings betont Hecht, »ohne Perspektive auf Ausstieg würden wir nicht niedrigschwellig arbeiten. Wir nehmen einen öffentlichen Auftrag wahr«.
Der Ansatz des Junkie Bunds als Selbsthilfeeinrichtung der Betroffenen ist jedoch nicht primär ausstiegsorientiert – und steht somit der restriktiven Drogenpolitik, die die Polizei mit Platzverweisen für Drogenkonsumenten in Kalk umsetzt, entgegen. So heißt es auf der Website des Junkie Bunds: »Eine neue Drogenpolitik muss geprägt sein durch: Abkehr von der alleinigen Orientierung an der Abstinenz (…), Beendigung der menschenunwürdigen Unterdrückung und Verfolgung von Drogengebrauch und Drogengebraucher(innen)…«.
Diese Forderungen des Junkie Bunds nach Entkriminalisierung des Drogenkonsums lässt bei der bürgerlichen Mehrheit in Humboldt die Alarmglocken klingeln. Ein Wegzug des Junkie Bunds würde allerdings niemandem dort ein Ende der Probleme im Viertel garantieren. 2001 machte der Junkie Bund bereits einen ersten Versuch, in die Taunusstraße zu ziehen. Der Einzug wurde damals von der Polizei abgelehnt mit dem Hinweis, die Gegend sei schon belastet genug. Stattdessen eröffnete dann der spätere Drogenumschlagsplatz »Etna«.
ANNETTE VON CZARNOWSKI