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exp Köln – Traurige Bilanz: Vier Kölner starben am Wochenende den Heroin-Tod. Vier Tote in 72 Stunden. Bei Angehörigen und Freunden herrscht tiefe Trauer, in der Szene Angst und Panik: Schmutziges Heroin überschwemmt den Kölner Markt.
30.1.: Eine Frau (26) stirbt an den Folgen des Heroins, das sie sich auf der Toilette des Johnnishauses spritzte;
30.1.: Eine Mutter findet ihre 26jährige Tochter. Neben ihr das Fixerbesteck. Sie war nach einem Ausweichprogramm rückfällig geworden.
1.2.: Blumenkasten am Breslauer Platz. Ein Toter (23) mit frischen Einstichen.
2.2.: Im Krankenhaus stirbt ein 37jähriger. Bereits am Mittwoch war er bewußtlos in einem Hotel gefunden worden.
„In Köln ist die Heroin-Qualität oft schlechter als in anderen Städten“, sagt Bernd Lemke (41) vom Selbsthilfeverein „Junkie Bund Köln e.V.“. „Es gibt Fälle, in denen die Drogen aus schädlichen und teilweise tödlichen Beimengungen wie Rattengift bestehen.“ Und: „Nach diesen Todesfällen geben wir nun eine Warnung raus, vorsichtig zu sein.“
Jetzt wird der Ruf nach „Fixerstuben“ oder „Konsumräumen“, in denen die Süchtigen ihr Heroin unter ärztlicher Aufsicht nehmen, immer lauter.
„Wir haben den Antrag gestellt, diese Dienste als Ergänzung zur Drogenhilfe zu finanzieren“, sagt OB Norbert Burger. „Damit sich die Abhängigen in sauberer Umgebung und mit der Erreichbarkeit eines Arztes spritzen können.“ Auch Polizeipräsident Jürgen Roters meint: „Es bringt nichts, die offene Drogenszene nur einseitig aufzulösen. Wir müssen auf der anderen Seite auch mehr Therapie-Angebote und Lebenshilfen schaffen.“
Die Fakten: Ein Gramm Heroin kostet ca. 120 Mark. Je nach Abhängigkeit verbrauchen die Junkies zwischen 50 und 400 Mark am Tag. Das Gesundheitsamt schätzt die Zahl der Heroinabhängigen in Köln auf 11 000. Die Zahl der Drogentoten ist rückläufig: Wurden 1995 noch 94 Tote gezählt, waren es im letzten Jahr „nur“ noch 35. In diesem Jahr sind es bis jetzt sechs.
Die „Drogenhilfe Köln e.V.“ ist mit ihren zehn Einrichtungen, und rund 100 Mitarbeitern völlig überlastet. „Die Drogenhilfe
muß dringend ausgebaut werden“, fordert Gesamtleiter Klaus Orth (44). „Jeder Tote ist einer zuviel.“
Sehr geehrter Hr. Meckert,
wie in der Vergangenheit bereits öfter geschehen, wurde auch diesmal in ihrem Artikel, mein telefonischer Beitrag als völlig verfälschtes Zitat von ihnen wiedergegeben. Ich erklärte ihnen, daß derzeit sogar qualitativ hochwertiges Heroin dem Kölner Markt zur Verfugung steht, ohne dies ursächlich mit jenen vier Todesfällen in Zusammenhang zu bringen. Dies bedürfte einer wesentlich gründlicheren Recherche, als dies bei ihnen der Fall war. Wie ich ihnen bereits telefonisch mitteilte, beruhen Opiatüberdosierungen mit tödlichem Ausgang oftmals auf dem Hintergrund, daß die Drogengebraucherlnnen bei einer eventuellen Bewußtlosigkeit alleine ihrem Schicksal ausgeliefert sind und dadurch eine lebenserhaltende Reanimation nicht durchgeführt werden kann. Weiterhin teilte ich ihnen mit, daß ein entscheidender Faktor durch längere Abstinenzzeiten prozentual eine höhere Todesrate herbeiführt, besonders nach längerer Haftzeit oder nach Abstinenztherapien. Ebenso spielt die körperliche Konstitution der Drogengebraucherlnnen eine gewichtige Rolle, besonders bei sogenannten „Altjunkies“ mit Immundefekt, hervorgerufen durch Infektionen mit HIV oder/und Hepatitiden.
Seit ca. einem Jahrzehnt hat sich auch das Konsummuster der Junkies verändert, wobei der frühere, reine Opiatjunkie, dem Politoxikomanen gewichen ist und letzterer oftmals an den Folgen seines unkontrollierten Mischkonsums verstirbt, wie etwa beim „Goldenen Schuß“ mit Heroin, dem bereits ein alleine schon lebensbedrohlicher Benzodiazepamkonsum (Rohypnol) vorausgegangen ist.
Heroin erzeugt ebenso wie Alkohol ein subjektives Wärmegefuhl, kombiniert mit euphorisierenden Schläfrigkeit, wodurch gerade bei obdachlosen Junkies die Gefahr des Erfrierens bei den momentanen Witterungsbedingungen besteht. Dies sind nur einige, mögliche Kombinationen, die in verschiedensten Variationen auftreten und einen event. Drogentod herbeizufuhren können. Da in den meisten Fällen dieser vermieden werden kann, müssen dringenst neue Wege in der Drogenpolitik beschritten werden, wie ihn bereits unsere schweizer und holländischen Kollegen vorbildlich aufzeigen. An dieser Stelle und gerade im Zusammenhang mit den vier Drogentoten an diesem Wochenende möchte ich nochmals auf den Bedarf der sogenannten Fixerstuben hinweisen, da besonders die niedrigschwelligen Drogenhilfeeinrichtungen, wie der Junkie Bund Köln e.V. im täglichen Konflikt zwischen menschlicher Vernunft und geltendem Recht bewegen muß und dabei wissentlich den eventuellen Tod von Drogengebraucherlnnen unter o.g. Bedingungen billigend in Kauf zu nehmen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Lemke